Exploratives Testen ist ein dynamischer Ansatz in der Softwarequalitätssicherung, bei dem Tester Software ohne fest vorgegebene Testfälle untersuchen. Statt streng nach einem Skript zu arbeiten, kombinieren sie Erkundung, Lernen und Testdesign in einem Prozess. Dabei entstehen die Testideen während des Testens selbst, basierend auf Beobachtungen, Intuition und Erfahrung.

Dieser Ansatz ist besonders effektiv, wenn Anforderungen unvollständig sind, sich häufig ändern oder wenn man neue Funktionen erstmals überprüft. Ziel ist es, unerwartete Fehler zu finden, die in klassischen, vordefinierten Tests leicht übersehen werden.

In diesem Beitrag möchte ich mir genauer anschauen, was „Exploratives Testen“ bedeutet.

Wie unterscheidet sich exploratives Testen von klassischen Tests?

Klassisches (skriptbasiertes) Testen Exploratives Testen
Feste Testfälle, definierte Schritte Keine festen Testfälle – spontane Erkundung
Vorher geplant, dokumentiert Testdesign und -ausführung laufen parallel
Geringe Flexibilität bei Änderungen Sehr flexibel und adaptiv
Gut geeignet für Regressionstests Ideal für neue oder wenig bekannte Funktionen
Fokus auf Überprüfung bekannter Szenarien Fokus auf Entdeckung unbekannter Fehler
Merke: Beide Ansätze ergänzen sich ideal – exploratives Testen ist kein Ersatz, sondern eine wertvolle Ergänzung zu strukturierten Testmethoden.

Warum exploratives Testen so wirkungsvoll ist

  • Schnelle Fehlererkennung: Durch freies Erkunden lassen sich Probleme finden, die bei automatisierten oder vordefinierten Tests übersehen werden.

  • Hohe Flexibilität: Der Tester reagiert direkt auf Beobachtungen und kann spontan neue Wege ausprobieren.

  • Tiefes Systemverständnis: Während des Testens lernt man die Anwendung und ihre Schwachstellen besser kennen.

  • Kreativität und Erfahrung: Exploratives Testen fördert kreatives Denken und nutzt die Intuition erfahrener Tester.

  • Besonders effektiv bei agilen Projekten: Wenn Anforderungen sich ständig ändern, ist dieser Ansatz ideal, um schnell Feedback zu liefern.

Typische Einsatzszenarien

Exploratives Testen eignet sich besonders für:

  • Neue oder komplexe Systeme, deren Verhalten noch nicht vollständig bekannt ist

  • Frühe Entwicklungsphasen oder Prototypen

  • Bereiche mit hohem Risiko oder häufigen Änderungen

  • Regressionstests zur Überprüfung ungewöhnlicher Kombinationen von Aktionen

  • Usability-Tests, um Nutzerverhalten realistisch zu simulieren

Wie läuft ein explorativer Test ab?

Auch wenn es spontan wirkt, folgt exploratives Testen einem strukturierten Denkprozess:

  1. Test-Charta definieren
    Eine Charta ist eine kurze Beschreibung des Testziels, z. B.:
    „Überprüfe die Stabilität der Suchfunktion bei schnellen Eingaben und Filterwechseln.“

  2. Zeitbox festlegen
    Meist wird ein Zeitraum zwischen 60 und 120 Minuten gewählt, um fokussiert zu bleiben.

  3. Testdurchführung
    Der Tester interagiert frei mit der Anwendung, probiert Kombinationen aus, beobachtet Reaktionen und notiert Auffälligkeiten.

  4. Dokumentation der Beobachtungen
    Alle wichtigen Schritte, Eingaben, Ergebnisse und Auffälligkeiten werden protokolliert – oft mit Screenshots, Videos oder Notizen.

  5. Bewertung & Nachbereitung
    Gefundene Fehler werden analysiert, reproduziert und im Bug-Tracking-System dokumentiert. Anschließend kann die Test-Charta erweitert oder angepasst werden.

Tools und Hilfsmittel

Exploratives Testen kann völlig manuell erfolgen, wird aber oft durch Tools unterstützt, z. B.:

  • Session-Based Test Management (SBTM) – zur Planung und Nachverfolgung von Explorations-Sessions

  • Test-Session-Logger (z. B. Rapid Reporter, qTest Explorer) – zur automatischen Aufzeichnung von Aktionen

  • Fehler-Tracking-Systeme wie Jira, Azure DevOps oder YouTrack – zur strukturierten Erfassung der Funde

Vorteile und Grenzen

Vorteile:

  • Entdeckt Fehler außerhalb standardisierter Szenarien

  • Fördert kreative Problemlösung

  • Erfordert keine aufwendige Vorbereitung

  • Bietet schnelles Feedback an das Entwicklungsteam

Grenzen:

  • Abhängig von der Erfahrung und Intuition des Testers

  • Schwieriger zu wiederholen oder zu automatisieren

  • Dokumentation kann nachträglich aufwändiger sein

Best Practices für erfolgreiches exploratives Testen

  • Verwende klare Test-Charten statt völlig unstrukturierter Erkundung.

  • Kombiniere mit automatisierten Tests, um sowohl Breite (Regression) als auch Tiefe (Exploration) abzudecken.

  • Protokolliere systematisch, damit Ergebnisse nachvollziehbar bleiben.

  • Arbeite im Team: Gemeinsame Exploration (Pair Testing) bringt oft neue Perspektiven.

  • Verwende Checklisten oder Heuristiken, um nichts Wesentliches zu übersehen (z. B. SFDPOT, HICCUPPS, CRUSSPIC).

Fazit

Exploratives Testen ist eine effektive und kreative Methode, um Software aus der Sicht echter Nutzer zu prüfen. Es fördert Verständnis, Neugier und Flexibilität – und deckt Fehler auf, die sonst unentdeckt bleiben würden. Gerade in agilen oder schnelllebigen Projekten ist dieser Ansatz ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Qualitätssicherung.

 

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